Wer hat’s erfunden – die Schweizer? Über die weltweite Verbreitung und den Ursprung des Alphorns Zusammenfassung des Buches “Alphorn und Hirtenhorn in Europa”
mit freundlicher Genehmigung des Autors Franz Schüssele, Alphornsolist und Alphornbauer
Alphörner erfreuen sich heutzutage einer steigenden Beliebtheit. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und
Österreich gibt es inzwischen eine große, ständig wachsende Zahl von Alphornbläsern. Auch in den USA, Kanada und Japan trifft man Alphornbläser. In unserer hoch technisierten und immer komplizierter werdenden Welt scheint dieses einfache
Naturinstrument für viele Menschen Einfachheit und Natürlichkeit zu verkörpern.
Das Alphorn kann als Prototyp der Blasinstrumente gelten. Obwohl es instrumentenkundlich auf Grund seiner Tonerzeugung, die mit der der
Blechblasinstrumente übereinstimmt, zu diesen gezählt wird, nimmt es eine Mittelstellung zwischen den Holz- und Blechblasinstrumenten ein. Sein Klang vereint die gewaltige Klangfülle eines Blechblasinstruments, etwa einer Posaune, mit
der Weichheit eines Holzblasinstruments, z. B. einer Oboe. Während alle anderen Blasinstrumente Weiterentwicklungen in der Form von Grifflöchern und Ventilen erfuhren, hat das Alphorn bis heute seine ursprüngliche Form ohne
Veränderungen beibehalten.
Alphörner in der Stimmung F haben sich inzwischen international durchgesetzt. Sie sind ca. 3,60 m lang und ihre Länge bestimmt die eine Tonart, in der sie spielbar sind. In der Schweiz wird meist Ges geblasen.
Die Naturtöne Auf dem Alphorn kann man nicht wie z.B. auf dem Klavier eine komplette Tonleiter spielen, sondern nur einen begrenzten Ausschnitt aus dieser, die so genannte
Naturtonreihe.
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Der 7. Naturton B ist in der heutigen temperierten Stimmung etwas zu tief. Der 11. Naturton liegt genau zwischen F und Fis, der 13. zwischen Gis und A.
Allgemein wird vom 2. oder 3. Naturton bis zum 12. geblasen. Die extremen Töne gehen sehr schwer.
Die einzelnen Töne werden nur durch unterschiedliche Lippenspannung und Atemdruck erzeugt. Dies erfordert vom Bläser Lippen- u.
Atemkraft. Auf dem Alphorn meist lange und tiefe Töne gespielt, jedoch sind bei entsprechender Übung und Fertigkeit auch virtuose, schnelle Tonbewegungen möglich.
Ungewohnte Naturtöne - Das Alphorn-FA Der berühmt, berüchtigte
11. Naturton! Er ist ein absolut korrekter Ton der Naturtonreihe, klingt für unsere heutigen, an die moderne temperierte Stimmung gewöhnten Ohren aber absolut schräg. Die temperierte Stimmung hat seit der Zeit Johann Sebastian Bachs die
vorher üblichen Stimmungen in der westlichen Musikkultur verdrängt und unsere Ohren sind diese alten Stimmungen, wie z. B. die der Naturtonreihe nicht mehr gewohnt. In alten Alphornmelodien, wie auch in den Melodien für Naturtrompeten,
kommt dieser Ton jedoch ganz selbstverständlich vor, ebenso in modernen Kompositionen. In traditionellen Alphornstücken des 20. Jahrhunderts wird er aber vermieden. Dieselben Ausführungen gelten für den 13. Naturton! Soll man diese Töne nun
auf dem Alphorn spielen oder vermeiden? Meine persönliche Meinung: Es muss zum Charakter des Stückes passen. Es ist wie beim Essen: Pfeffer und Salz sorgen für die nötige Würze – ein Zuviel davon ist jedoch unbekömmlich!
Bau eines Alphorns Alphörner wurden früher überall in der gleichen Art und Weise hergestellt. Ein Baumstamm wird der Länge nach halbiert, die beiden Hälften ausgeschabt und wieder zusammengesetzt. Für gekrümmte Instrumente musste der Baum
an einem Hang gewachsen sein. Die beiden Halbschalen wurden mit Harz oder Bienenwachs abgedichtet und mit Wurzeln, Zweigen, Draht oder Schnur zusammengebunden. Um die Instrumente abzudichten, legte man sie früher vor dem Blasen in den Bach
oder in den Brunnentrog. Heute werden hochwertige Alphörner in zwei Halbschalen mit CNC-Maschinen ausgefräst, aus Gründen des einfachen Transports meist in drei Teilen gefertigt, die mit Messingbuchsen zusammengesteckt werden, mit
hochwertigen Klebern zusammengeklebt und meist mit Peddigrohr umwickelt. Ein umfassendes Sortiment an Alphörnern (auch zum Mieten) sowie Noten bietet an:
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Name Allgemein wird angenommen, dass die Bezeichnung Alphorn vom Namen der Alpen abgeleitet ist. Aufgrund der Verbreitung der Hörner weit über die Alpen hinaus in nahezu allen Gebirgen Europas
erscheint dem Verfasser jedoch eine andere Ableitung besser angebracht und gerechtfertigt: nämlich von dem Begriff Alp, Alpe, Alm, die oberhalb eines Bergdorfes liegende Wiese zum Weiden des Viehs. Der deutsche Dichter Ferdinand Freiligrath
schreibt beispielsweise im Jahre 1845: „Im Spessart klingt des Älplers Horn”, und der Schweizer Karl Nef äußert sich zu diesem Thema im Jahre 1931 folgendermaßen: „Das Alphorn gilt heute als ein schweizerisches Instrument. Das ist aber
nur insofern richtig, als es bei uns noch viel gespielt wird und weit verbreitet ist.” Es dürfte vielmehr eine Art musikalischen Urwerkzeuges sein, und er kommt zu der Annahme, dass Musik liebende Naturvölker unabhängig voneinander auf
die Idee gekommen sind, aus kleinen Baumstämmchen trompetenartige Blasinstrumente herzustellen. Der Begriff Alphorn kann mit Hirtenhorn gleichgesetzt werden.
Ursprung Nach
landläufiger Meinung gilt das Alphorn als typisches Schweizer Nationalinstrument und wird als eine Schweizer „Erfindung“ und auf die Schweiz beschränkt angesehen. Der erste Teil der Aussage kann als unbestrittene Tatsache
gelten, während die beiden weiteren Aussagen nicht zutreffen. Wann und wo wurde das Alphorn erfunden? – eine häufig gestellte Frage, die nur so beantwortbar ist: Überall auf der ganzen Welt! - wie z. B. das Messer oder das
Beil. Irgendwann und irgendwo in der Urzeit der Menschheit tutete einer unsere Vorfahren in ein hohles Stück Holz, in einen abgebrochenen und irgendwie ausgehöhlten Ast und erweckte so den ersten Alphornton zum Leben. Auf welchem Kontinent
oder gar in welchem Land dies geschah, ist heute nicht mehr feststellbar, wahrscheinlich auf jedem, denn solche einfachen, dem Alphorn entsprechenden hölzernen Blasinstrumente sind weltweit anzutreffen, ob es sich um von Termiten ausgehöhlte
australische Didgeridoos, indianische Bambus- oder andere Holztrompeten handelt. Diese in ihren Anfängen noch recht kurzen Instrumente hatten mehrere Funktionen als Gebrauchsinstrumente: Verscheuchen von wilden Tieren, Feinden und Dämonen,
gegenseitige Verständigung und Nachrichtenübermittlung – das „Handy“ der Steinzeit! Als die Menschen begannen sich Tiere dienstbar zu machen, wurden die Hörner zu „Arbeitsinstrumenten“ der Hirten, mit denen sie das Vieh
antrieben und lenkten. Die Hirtenhörner früherer Zeiten waren nur etwa halb so lang wie die heutigen Alphörner. Dementsprechend waren auf ihnen auch meist nur ca. 4-6 Töne spielbar, im Gegensatz zu den heutigen langen Hörnern, auf denen
ca. 12 und mehr Töne spielbar sind. Sie genügten jedoch mit diesen wenigen Tönen vollkommen ihrem Zwecke der Signalgebung. In ganz Europa gab es früher Alphörner in unterschiedlichsten Formen. Leider starben diese Naturinstrumente
spätestens bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in den meisten europäischen Ländern fast völlig aus - auch in der Schweiz! Zum Alphornwettblasen in Unspunnen in der Nähe von Interlaken traten im Jahre 1805 gerade noch 2 Bläser an, und im Jahre
darauf schließlich nur noch ein Einziger. Durch Fördermaßnahmen wurde jedoch das Alphornblasen in der Schweiz wieder ziemlich schnell „reanimiert“ und populär. Hier sind in erster Linie die Verdienste von Ferdinand Fürchtegott
Huber, Heinrich Szadrowsky und Alfred Leonz Gassmann zu würdigen.
Dokumentation der ältesten Alphörner In der Schweiz ist das Alphorn zum ersten Mal mit Sicherheit durch den Fund
eines ca. ½ m langen Holzhorns um 1400 bei Meilen und Mitte des 16. Jahrhunderts durch die Aufzeichnungen des Zürcher Naturgelehrten Conrad Gesner dokumentiert. In Österreich berichtet im Jahre 1380 zum ersten Male der Mönch von
Salzburg vom hölzernen Kchuhorn, in Deutschland wurde in Parchim (Brandenburg) ein Holzhorn aus dem 11/12. Jahrhundert gefunden.
Alphornformen in Europa Ein interessantes schräg
angeblasene Holzhorn ist das Middewinterhorn, das im niederländisch/deutschen Grenzgebiet heute noch geblasen wird und vermutlich bis in die Zeit der Kelten zurück reicht. Von den Thüringer Hirten wurde das hölzerne Hirtenhorn, Schalmei
genannt, bis in die 1970er Jahre beim Weidebetrieb geblasen und es fand bis 1973 ein alljährliches Wettblasen der Hirten statt. Im Schwarzwaldstädtchen Villingen erklingt alljährlich am Heilig Abend das Herterhorn, das übrigens in der
Form genau dem Schweizer Alphorn entspricht und ca. 1,5m lang ist. Dieser Brauch geht auf ein Gelübde zurück, das die Villinger im Jahre 1765 anlässlich einer Viehpest ablegten. In Polen trifft sich jedes Jahr am 2. Adventssonntag eine
große Schar von Ligawkagläsern zum Wettblasen. Ligawka, Bazuna und Trembita sind die Namen der zwischen 1,5 und 4m langen polnischen Holzhörner. In Russland ist eine Fülle von hölzernen Hörnern anzutreffen, das interessanteste ist das
sibirische Payze, bei dem der Ton nicht durch Blasen, sondern durch Einsaugen der Luft in das Instrument erzeugt wird. In Rumänien trifft man auf 5 verschiedene Typen des Buciums, das dort meist von Frauen geblasen wird, da diesen die
Weidewirtschaft oblag. Die Wanderausstellung des Verfassers „Alphorn und Hirtenhorn in Europa“ dokumentiert die Instrumentenvielfalt mit ca. 150 Instrumenten aus der ganzen Welt. Ab dem Jahr 2010 werden interessierte Museen oder
Institutionen für die Ausstellung gesucht.
Das Alphorn in der klassischen Musik In die Klassische Musik hat das Alphorn schon sehr früh Einzug gehalten, nämlich schon im Jahr 1756
durch den Salzburger Hofmusiker Leopold Mozart, den Vater des berühmten Wolfgang Amadeus, der eine Sinfonia Parstorella für Corno Pastoritio (Hirtenhorn) und Streichorchester schrieb. Dieses Werk wurde für das kurze Hirtenhorn in G in einer
Länge von ca. 1,60m geschrieben. Bis heute wurde es immer auf dem großen 3,20m langen Alphorn in G gespielt. Das klingt dann so, wie wenn man ein Hornkonzert auf einer Tuba spielt. Die erste öffentliche Aufführung des Werkes mit dem
historischen Hirtenhorn fand 2006 im deutschen Fernsehen durch Franz Schüssele mit den Bamberger Symphonikern statt. Komponisten der Klassik und Romantik verwendeten zwar Alphornmotive in ihren Werken, vertrauten diese aber nie dem
Alphorn sondern andern gängigen Orchesterinstrumenten an. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich, dass es zu ihrer Zeit keine Alphornspieler gab, die professionellen musikalischen Ansprüchen genügten. Erst im 20. Jahrhundert schrieben der
Schweizer Jean Daetwyler und der Ungar Ferenc Farkas bedeutende Werke für Alphorn und Orchester. Und im 21. Jahrhundert entstanden einige symphonische Werke für Alphorn und Orchester, z.B. das Alphornkonzert des Schweizer Saxophonisten und
Komponisten Daniel Schnyder, uraufgeführt durch Arcady Shilkloper, das Konzert in keltischer Manier des Wiener Komponisten Kurt Schwertsik, uraufgeführt und auf CD aufgenommen durch Nury Guarnaschelli 2008 und das Alphornkonzert für
Symphonisches Blasorchester des Grazer Komponisten Victor Fortin, uraufgeführt 2005 durch Franz Schüssele.
Das Alphorn in modernen Musikstilen
In den letzten Jahren hat sich das Alphorn immer stärker in modernen Musikstilen etabliert. Im volkstümlichen Schlager taucht das Alphorn immer wieder auf. Die Initialzündung hierfür gab im Jahre 1976 das Pepe-Lienhard-Sextett mit seinem
Schlager Swiss-Lady. Im Jazz war der deutsche Flügelhornist Herbert Joos der erste, der das Alphorn vereinzelt einsetzte. Begründer und bis heute führender Musiker des modernen Alphornjazz ist jedoch Hans Kennel mit seiner 1992
gegründeten Gruppe Mytha. Mit seiner kürzlich erschienenen CD Mytha new edition - eine Symbiose aus alter Naturtonmusik und Jazz - erweist er sich zusammen mir der genialen Sängerin Betty Kegler auch mit seinen 70 Jahren immer noch
als tonangebend in der innovativen Alphornmusik. Ebenfalls der Naturtonmusik verpflichtet fühlt sich das durch den Alphorn-Film von Stefan Schwietert in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückte Basler Alphornquartett Hornroh. Diese
Formation inszeniert ihre in ungewöhnlichen Formen gebauten Alphörner in einer interessanten Performance. Soeben ist ihre neue CD Findling erschienen. Der Züricher Posaunist Robert Morgenthaler verbindet muikalisch-kosmopolitisch in seiner
Gruppe Roots of Communication das Alphorn improvisatorisch mit Volksmusikinstrumenten anderer Länder und Kontinente. In Deutschland spielt die Kölner Alphornformation Alpcologne zusammen mit einer Sängerin modernen modernen Alphornjazz. Die
Schweizer Sängerin und Alphornistin Eliane Burki setzt das Alphorn in der popmusikalisch orientiert ein und der russische Hornist Arcady Shilkloper besticht mit virtuos gespielten funkigem Alphorn. In der Rockmusik ist bis heute der
Heavyrocktitel Alphornrock des Verfassers die einzige Veröffentlichung auf CD geblieben. Im Weltmusikprojekt Klangwelten des Crossover-Musikers Rüdiger Oppermann gab es 2009 einen ersten Einsatz des Alphorns zusammen mit ungarischen,
bulgarischen und deutschen Dudelsäcken und einer nordischen Lure durch Franz Schüssele.
Das Alphorn in der Kirchenmusik In der Kirche wurden Alphörner früher als Ersatz für die
Glocken eingesetzt, wenn diese z.B. in der Karwoche zu schweigen hatten. Eine ganze Reihe von geistlichen Werken für Hirtenhorn mit Chor und Orchester findet man im 18./19. Jahrhundert im süddeutschen, böhmisch-mährischen, österreichischen
Raum vor allem in der Weihnachtsmusik. Folgende Komponisten stehen stellvertretend für eine größere Anzahl: Anton Neumann, Stift Lambach , Oberösterreich, ‚Schmittbauer Lukas. Efferding bei Linz, Joseph Anton Angeber, Immenstadt (D),
Johann Chrytostomus Drexel, Augsburg (D) 1984 erschien die bisher einzige Messe für mehrere Alphörner und Chor von Franz Schüssele auf CD.
Alphorn und Blechbläser Zunehmend bauen
Blasorchester, Musikzüge und Posaunenchöre das Alphorn in ihr Programm ein. Gab es vor 20 Jahren kaum Literatur für Alphorn und diese Besetzungen, so sind heute beim Alphorn-Center in Friesenheim bereits ca. 50 Kompositionen lieferbar.
Das Stahler Alphorn-Ensemble aus dem ostwestfälischen Höxter-Stahle - das erste Alphorn-Ensemble in NRW - hat durch seine Konzerte viel dazu beigetragen, das Alphorn in Norddeutschland bekannter zu machen und das Interesse an der Alphornmusik zu steigern.
Gegründet wurde das Stahler Alphorn-Ensemble im Frühjahr 2002 durch Günther Borgolte.
Genau wie seine Ensemble-Kollegen Bernhard Borgolte und Christoph Dittert ist auch er seit mehr als 30 Jahren als Blechbläser im
Stahler Blasorchester von 1892 e.V. aktiv.
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